Vorbemerkung in eigener Sache: Es ist wie in einem guten alten Beisl. Kaum will man zusperren, kommen die Stammgäste und bedauern das Ende. Eine war besonders eifrig und hat das vielleicht interessanteste Comeback der Saison als Gast-Kritikerin besucht. Meine Damen und Herren, Vorhang auf für Literatin Andrea Stift und die Geidorfstub'n...
Ein Hoch auf die Gemütlichkeit
Obwohl ich schon seit zwanzig Jahren in Graz-Geidorf wohne, war ich noch nie in der Geidorfstub'n. Mein Lieblingssoziologe schon. Oft gingen wir am geschlossenen Lokal vorbei und er erzählte mir, wie schön es dort früher war. Und immer überlegten wir, was da wohl draus werden würde. Es wurde etwas Unerwartetes: Die Geidorfstub'n hat wieder offen!
Wir betreten die wunderbare Stube wochentags gegen 18.00 und erkennen an der Theke, die gleichzeitig den Großteil des Raucherbereichs darstellt, gleich einmal Entscheidendes: Der Kühnelt hat Recht gehabt, die Restauration ist wieder in Händen der ursprünglichen Betreiber, der Rauschers (sic!). Die beiden Schwestern Rauscher verteilen sich auf Bedienung/Schank und die Küche, in der auch Vater Rauscher werkt. Warum die Rauschers vor etwa 5 oder 6 Jahren überhaupt zugesperrt haben, das erfahren wir nicht, dafür aber den Grund fürs Wiederaufsperren: die kollektive Rauscher-Lust!
Was ist nun neu an der Geidorfstub’n? Nicht viel und das ist wunderbar. Das Lokal hat sich ebenso wie die Speisekarte verkleinert, die neben ein, zwei tagesaktuellen Gerichten Klassiker der Beislkultur versammelt und diese um ein, zwei fragwürdige Exoten erweitert. Die Miesmuscheln etwa werden zwar angenommen, aber wir fragen uns, ob man in diesem Rahmen nicht einfach konsequent bei der steirischen Hausmannskost bleiben sollte. Die ist nämlich vorzüglich. Während wir unsere sehr gute, vielleicht ein bisschen zu salzige Zwiebelsuppe verkosten, beobachten wir die anderen Besucher. Viele Gäste kommen und freuen sich, dass wieder aufgesperrt wurde. Die Klientel ist bunt gemischt, das Lokal sehr gut besucht. Die Vertäfelung des Nichtraucherbereiches hat man versucht durch zuckerlrosa Farbakzente aufzupeppen. Auch wenn man farblich nicht übereinstimmt, ist es doch sehr gemütlich, ein Lokal zum ewigen Sitzenbleiben.
Als Goodie bestellt sich Frau Stift ihre geliebten Datteln in Speck, die mit Chiliflocken und Pfeffer simpel, aber grandios verfeinert wurden (3,80). Die Wildcremesuppe mit Sahnehäubchen und Preiselbeeren hätte uns auch angelacht, gleichzeitig wirft sie die Frage auf, wieso man Wildcremesuppe anbietet, aber kein einziges Stück Wild. Gelegenheit dafür böte die Tageskarte, die an diesem Abend ganz der Wurst verschrieben ist. So beschließen wir schnell, auch den Garnelenspieß außen vor zu lassen und uns je ein Stück Blut- und Breinwurst mit Sauerkraut einzuverleiben (ungefähr 6,50 Euro. Man erkennt die Laiengastrokritiker daran, dass sie nicht daran denken, sich Preise zu merken). Beide Würschtel sind solide und unaufdringlich gewürzt, das Sauerkraut dezent und gaumenschmeichelig. Zur Nachspeise gibt es leider nur Eis, das ist ein bissl schade und ein unausgeschöpftes Potential zur Umsatzsteigerung. Schade auch, dass es außer Salaten, Ofenschafskäse und Gemüselaibchensemmel nichts Vegetarisches gibt. Schwer überzeugend präsentiert sich dafür der Wein zu bodenständigen Preisen. Wir verkosten Sauvignon und Weißburgunder von südsteirischen Weingut Gerngross, außerdem Blaufränkischen vom Lehrner aus Horitschon, der so ist wie ihn mein Lieblingssoziologe liebt, nämlich sanft und elegant. Die Auswahl ist klein, aber fein. Auch der Hauswein (Welschriesling vom Rauschenberger um 1,80 das Achterl) überzeugt.
Fazit: Ein Grazer Beislklassiker feiert seine Auferstehung. Überzeugte Nichtraucher werden hier nicht glücklich werden, Vegetarier vermutlich auch nicht. Dafür diejenigen, die schon immer hierher gegangen sind und die, die hier immer schon mal hergehen wollten. Eine definitive Bereicherung fürs Geidorfviertel und die Gemütlichkeit.
Geidorfstubn, Bergmanngasse 21, 8010 Graz, Öffnungszeiten (derzeit) 17- mindestens 24 Uhr, Tel. 0316-686671
© Text und Fotos: Andrea Stift, 2013
Hallo, in die Geidorfstubn zu gehen und KEIN beef tartare zu essen, zeugt schon von tiefer Unwissenheit über das beste Gericht im Lokal; Also wieder hin und beim Herrn Rauscher eins bestellen; War vor Jahren schon und ist wieder/noch immer das Beste der Stadt;
ReplyDeleteLG
Gubo